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Kinderorthopädie im SMH: Lila lächelt wieder

Erstellt von Katharina Landorff

15.08.2025 Bewegungsapparat

Lila kann wieder laufen und lächeln. Ein kleines Wunder. Das zierliche Mädchen ist zehn Jahre alt und kommt aus Afghanistan. Seit November 2024 lebt es im Friedensdorf in Oberhausen. Ihre Familie, Eltern und Geschwister, sind in der Heimat geblieben. Mithilfe und auf Initiative des Friedensdorfes Oberhausen konnte sich Lila auf die lange Reise ins Ruhrgebiet begeben, um wieder gesund zu werden.

Nach einer Knocheninfektion im rechten Bein saß Lila im Rollstuhl und hatte Schmerzen. Unterhalb des Knies krümmte sich der Knochen des Unterschenkels nach außen, war ganz verformt, das Bein erheblich verkürzt. Innen fehlte ein Stück Knochen und eine Infektion machte sich breit. Im Heimatland konnte das Mädchen medizinisch nicht versorgt werden.

Das Friedensdorf Oberhausen wandte sich daher mit der Bitte um kostenlose medizinische Hilfe an Klinikdirektor Prof. Marcus Jäger, einem Spezialisten für Kinderorthopädie und Kindertraumatologie sowie für die Behandlung von kritischen Knochendefekten am St. Marien-Hospital Mülheim an der Ruhr (SMH). Er konnte die Behandlung samt mehrerer Operationen der damals neunjährigen Patientin pro bono zusagen.

Drei Monate nach der zweiten Operation ist der erfahrene Operateur erfreut über das Ergebnis und die gewonnene Lebensqualität für Lila: „Ein großes Stück des Schienbeins war vollständig zerstört und abgestorben, das angrenzende Gewebe infiziert. Das Bein war verkürzt, schief und deformiert. Wir haben die Infektion erfolgreich bekämpft, die Beinachse korrigiert und den Knochendefekt mit einem Stück Knochen aus dem Wadenbein der Patientin überbrückt. Ebenso gelang es auch die Deformität im Unterschenkel zu korrigieren“, beschreibt Prof. Marcus Jäger den Behandlungsweg, der zwei Operationen im Abstand von einigen Wochen umfasste.

Heute kann Lila ganz ohne Schmerzen laufen. Genauso wie Gleichalterige können ihre Knochen ohne Beeinträchtigung wachsen. Lilas rechtes Bein ist nun gerade und nahezu gleichlang wie das nicht-operierte Bein. So kann Lila auf den klotzigen Schuh an ihrem rechten Bein verzichten, mit dem vorher der große Unterschied der Beinlängen ausgeglichen werden sollte.

Der Weg zur Heilung war komplex: Mit der so genannten Masqualet-Technik wurde in einer ersten Operation Ende Februar 2025 ein großes Stück vom abgestorbenen und infizierten Schienbeinknochen in Lilas rechtem Bein entfernt. Der Chirurg brachte Knochenzement ein, um den entstandenen Hohlraum zu überbrücken und sorgte mit antibiotikahaltigem Material für die Bekämpfung des Infektes. Einige Wochen später folgte die zweite, entscheidende Operation: „Der Defekt war sehr groß, so dass wir zusätzliche regenerative Verfahren einsetzen mussten, um die Knochenheilung anzuregen. Wir nutzten dafür körpereigene Zellen und Gewebefragmente, in einem innovativen Gewebekollektor unter Vakuum während der Operation gewonnen wurden,“ erklärt Prof. Marcus Jäger den neuartigen Ansatz (so genanntes BoneFlo-Prinzip).

In der Regel setzen Operateure in solchen Fällen auf Knochentransplantationen aus dem Beckenknochen, so Prof. Jäger. „Beckeneingriffe können im Kindesalter zu Wachstumsproblemen führen, verlängern die Operationszeit und damit den Blutverlust und führen zudem zu Schmerzen an der Entnahmestelle. Mit unserem innovativen Ansatz konnten wir die Wachstumsfuge erhalten. Somit kann Lila ganz normal wachsen“, stellt der Kinderorthopäde und Kindertraumatologe fest.

Im März kam Lila noch im Rollstuhl in die Sprechstunde ins St. Marien-Hospital Mülheim an der Ruhr. An diesem Junimontag geht die Zehnjährige gemeinsam mit Prof. Marcus Jäger den Flur der Ambulanz entlang und steigt die Treppen zum Erdgeschoss hoch. Beide sind sehr zufrieden: Dafür gibt es ein High-Five.

Fotos: Katharina Landorff, SMH